RSV Lahn-Dill dreht schon fast verloren geglaubtes Spiel mit großer Moral

Nach 71:55 über Zwickau gehen die Wetzlarer als Nummer eins in die Playoffs

Ein begeisterndes drittes Spielviertel nach zuvor zweistelligem Rückstand, ohrenbetäubender Lärm und Standing Ovations nach zuvor nahezu fassungsloser Stille: das Spitzenspiel der Rollstuhlbaslketball-Bundesliga (RBBL) zwischen dem RSV Lahn-Dill und seinem Erzrivalen RSC-Rollis Zwickau bot an Dramatik alles, was das Duell von Europas Nummer eins gegen die kontinentale Nummer drei im Vorfeld heraufbeschworen hat. Am Ende jubelten 1.500 begeisterte Zuschauer in einer restlos ausverkauften Wetzlarer August-Bebel-Sporthalle über einen 71:55 (11:11/19:28/51:44)-Heimsieg der Mittelhessen.

Es war das zweite Viertel, das die große Kulisse noch vor der Pause fast verstummen ließ. Nach ausgeglichenem Start über 4:7 (6.) und 10:9 (9.) in einem zunächst von den beiden starken Defensivreihen geprägten Spiel, geriet der Gastgeber im zweiten Spielabschnitt in deutlichen Rückstand. Dabei ließ vor allem die fehlende offensive Durchschlagskraft der Hausherren das Heimpublikum Böses ahnen. Hatten zunächst Michael Paye auf der RSV-Seite und sein Gegenüber Piotr Luszynski die Partie offen gestaltet, schlug ab der 16. Minute Luszynskis polnischer Landsmann Krysztof Bandura zu. Sechs Punkte in Serie gingen bis zum 17:26 auf dessen Konto, während die Mannschaft um Kapitän Joey Johnson im Angriff wie gelähmt agierte und die eigenen Offensivbemühungen fast gänzlich zum Erliegen kamen. Lediglich zwei magere Freiwürfe von US-Nationalspieler Steve Serio sollten zur Pause unter dem Jubel der Zwickauer Fans für einen 19:28-Rückstand und deutliche Sorgenfalten bei Trainer Nicolai Zeltinger wie auch bei den heimischen Anhängern sorgen.

Doch auch nach der Pause gelang dem siebenfachen Meister aus der Domstadt zunächst nicht der erhoffte Befreiungsschlag und das 23:34 (23.) nach zwei Korberfolgen von Marcin Balcerowski und einem weiteren Treffer von Center Bandura ließ die Atmosphäre in der Halle fast gefrieren. Doch urplötzlich sprang der Funke zwischen der Mannschaft und der großen Kulisse über und initiierte förmlich eine Leistungsexplosion. Punkt für Punkt kam der RSV Lahn-Dill nun angetrieben durch die 1.500 Fans im Rücken näher an die Sachsen heran und konnte in der Vorwärtsbewegung endlich das hohe Tempo entwickeln, für das er bekannt ist.

Dieser plötzlich aufkommende enorme Druck schien die Gäste aus Zwickau vollkommen zu überraschen, die ihr taktisches Konzept zuvor schon aufgehen sahen und sich in den Folgeminuten nun zahlreiche Fouls einhandelten. So kassierte Nationalspieler Matthias Heimbach binnen 90 Sekunden zwei Fouls und musste mit einem sich anschließenden technischen Foul wegen Meckern bereits in der 24. Spielminute mit überzogenem Foulkonto das Feld verlassen. Aber auch der Lette Raimund Beginskis und Kapitän Luszynski handelten sich noch in diesem Spielviertel ihr viertes Foul ein, während die Wetzlarer Rollis mit zahlreichen Ballgewinnen und einer fast lupenreinen Quote von der Freiwurflinie über 33:38 (25.) in der 27. Minute mit 42:40 erstmals wieder in Führung gingen.

Nun stand die August-Bebel-Sporthalle Kopf. Binnen nur vier Minuten hatten Kapitän Johnson und seine Teamkollegen mit viel Moral und großem Kampfgeist ein Spiel gedreht, in dem sie bereits auf der Verliererstraße zu sein schienen. Und das Feuerwerk setzte sich im dritten Viertel getragen vom US-Duo Paye und Serio nun mit einem 23:6-Lauf zum 49:42 (30.) nahtlos fort.  Als dann beim 61:48 (35.) auch noch Zwickaus bester Mann Piotr Luszynski mit seinem fünften Foul den Dienst an diesem Tag quittieren musste, war der letzte Widerstand beim noch im Hinspiel mit 85:79 triumphierenden Gast aus Sachsen gebrochen.

Nach der Schlusssirene und dem 71:55-Erfolg, der die Wetzlarer nun zugleich als Nummer eins in die Playoff-Spiele gehen lässt, feierten sich Mannschaft und Fans gegenseitig und lagen sich freudetrunken in den Armen, auch wenn ein sichtlich durchgeschwitzer Trainer Zeltinger kurz nach Spielende in die allgegenwärtige Euphorie eine gesunde Portion Bodenhaftung brachte: „Das war ein für die Zuschauer dramaturgisch grandioses Spiel, doch gewonnen haben wir damit noch rein gar nichts und die wirklich entscheidenden Duelle stehen alle noch aus“, so der 39-Jährige. Doch an diesem Samstagabend stand auch bei ihm die Freude über einen gelungenen 17. Spieltag in der RBBL im Vordergrund.

Nach dem Erfolg über den zweimaligen Meister Zwickauer trifft der RSV Lahn-Dill nun im Halbfinale auf den Tabellenvierten der Liga, der Köln 99ers oder aber nach einem 81:80-Überraschungscoup in Bonn auch Trier heißen könnte. Unabhängig vom Namen des Kontrahenten findet das entscheidende Semifinal-Rückspiel am Samstag, den 26. März um 19:30 Uhr in der Wetzlarer August-Bebel-Sporthalle statt.

Lahn-Dill: Michael Paye (21), Steve Serio (21), Joey Johnson (20), Dirk Köhler (5), Thomas Böhme (2), Gesche Schünemann (2), Kai Gerlach, Thomas Gundert, Mina Mojtahedi, Felix Schell (n.e.).

Zwickau: Piotr Luszynski (13), Raimunds Beginskis (12), Krzysztof Bandura (9), Rostislav Pohlmann (7), Marcin Balcerowski (6), Günther Mayer (4), Bryce Doody (2), Matthias Heimbach (2), Kai Möller, Frank Oehme, Diana Dadzite (n.e.).

Fotogallerie von Jörg Theimer unter www.gute-blende.de.

Ab Montag finden Sie einen Videospielbericht mit aktuellen Infos unseres Partners Plattform3.de unter www.mittelhessen.de.

RSV-Magazin Defense