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London Calling: XIV. Paralympics 2012

Paralympics 2012 in London sind auf Rekordkurs – Spiele kehren an ihren Geburtsort zurück
Die XIV. Paralympischen Sommerspiele sind auf Rekordkurs: sportlich, wirtschaftlich und medial. 52 Jahren nach ihrer Premiere in Rom, unzähligen gesellschaftlichen Rückschlägen und zwölf Jahre nach dem Meilenstein Sydney sind die Paralympics erwachsen und selbständig geworden und nicht mehr aus dem sportlichen Kalender wegzudenken. Vom 29. August bis 9. September kehren sie nun in ihr Geburtsland zurück, wo sie als deutsch-englische Erfindung 1948 im britischen Stoke Mandeville ihren Ursprung hatten.
Es war der deutsche Neurologe Sir Ludwig Guttmann (1899-1980), der 1939 aus Nazi-Deutschland nach Großbritannien emigrierte und erkannte wie wertvoll Sport in der Rehabilitation von Kriegsversehrten ist. 1948 initiierte Guttmann so die Stoke Mandeville Games, bei denen erstmals über einhundert Sportler aus verschiedenen Ländern teilnahmen. Aus diesen Spielen entstanden die Paralympics, die 1960 in Rom ihre Premiere mit über 400 Athleten aus 23 Nationen feierten. Doch die Geschichte der Paralympischen Spiele sollte zunächst keine Erfolgsstory werden. 1964 in Tokio wurden sie für mehr als zwei Jahrzehnte letztmals an gleicher Stätte wie die Olympischen Spiele ausgetragen. Mexiko 1968 und München 1972 gaben sie in einer Art Unkultur wegen technischer und organisatorischer Probleme zurück, Tel Aviv und Heidelberg sprangen ein. 1980 und 1984 lehnen Moskau und Los Angeles die Ausrichtung ab, Arnheim in den Niederlande und New York sind die tristen Ersatzstandorte. Doch die Idee behielt ihre Kraft und so wuchsen die Spiele weiter und weiter.
1988 fasste sich dann das koreanische Seoul wieder ein Herz und vereinte Paralympische und Olympische Spiele. Erstmals durften dabei „Paralympioniken“ die gleichen Sportstätten nutzen wie ihre olympischen Kollegen. Nach großartigen Spielen 1992 in Barcelona mit einer Eröffnungsfeier vor 65.000 Zuschauern und dem spanischen Königshaus, trat erneut 1996 die USA die Paralympische Idee mit Füßen. „Erstmals in meinen Leben fühlte ich mich als Mensch zweiter Klasse“, so die australische Leichtathletin Louise Sauvage, nachdem die Wettkämpfe von Atlanta in bereits zum Teil abgebauten Sportstätten stattfinden mussten. Vier Jahre später in Sydney machte es ihr eigenes Land besser. Mit 3.881 Athleten aus 122 Nationen setzten sich die Rekordzahlen weiter fort, während die Menschen in Down Under die Spiele medial und gesellschaftlich feierten wie keine andere Nation zuvor – der Durchbruch war geschafft. 2004 in Athen mussten paralympische Sportler und ihre Verbände erstmals nichts mehr für Unterkunft und Verpflegung zahlen, so wie ihre olympischen Kollegen seit vielen Jahren schon und 2008 in Peking katapultierten knapp 4.000 Sportler aus 146 Nationen und fast zwei Millionen Zuschauer live vor Ort die Spiele in eine neue Zeitrechnung. Die Paralympics 2012 in London werden nun erneut die größten in ihrer Geschichte. Mehr als 4.200 Sportler aus 162 Nationen gehen in 20 Sportarten mit 503 Entscheidungen an den Start.
Bereits heute sind rund 1,8 Millionen, der zwei Millionen Eintrittskarten verkauft, so dass die Paralympics in diesem Jahr auf dem Weg sind die ersten ausverkauften Spiele in der Geschichte zu werden. Rund 6.500 akkreditierte Journalisten, davon rund 150 aus Deutschland, werden dafür sorgen, dass die Bilder in die Welt getragen werden. Für die Eröffnungs- und Schlussfeier der Paralympics rechnet das erstmals gemeinsame Organisationskomitee LOCOG mit rund 750 Millionen Zuschauern weltweit. Der britische Sender Channel 4 bewirbt die Spiele medial mit dem Titel „Meet the superhumans!“, treffe die Supermenschen. Auch ARD und ZDF sind mit rund 200 Mitarbeitern vor Ort und senden in einem bisher nicht bekannten Maß. Waren es vor zwölf Jahren in Sydney noch 15:56 Stunden, die in den Hauptprogrammen der beiden öffentlich-rechtlichen Sender liefen, werden es aus London 65:30 Stunden sein. Insbesondere die ARD überträgt täglich sechseinhalb Stunden und dies auch zur sogenannten Primetime.
Am 21. Juli nominierte das deutsche Nationale Paralympische Komitee (NPC) die deutsche Mannschaft. 150 Athleten werden in London an den Start gehen und versuchen das Ergebnis von Peking zu übertreffen. Damals holten die Sportler des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) 14 Gold-, 25 Silber- und 30 Bronzemedaillen und landeten so auf Platz elf der Nationenwertung, die Gastgeber China eindrucksvoll vor Großbritannien, den USA und der Ukraine gewann.
Mit insgesamt neun Athleten stellt kaum eine andere Region in Deutschland mehr Teilnehmer an den Paralympics als die Region Mittelhessen. Hauptgrund dafür ist Rollstuhlbasketball Champions League Sieger RSV Lahn-Dill, der quasi eine eigene Mannschaft in London aufbieten könnte. Neben den Aktiven Thomas Böhme, Britt Dillmann, Thomas Gundert, Jan Haller, Dirk Köhler, Björn Lohmann und Gesche Schünemann tragen Herren-Bundestrainer Nicolai Zeltinger und Physiotherapeutin Pia Briegel die deutschen Farben in London. Die Spiele dieser neun Mittelhessen werden in der 10.000 Zuschauer fassenden Olympic Basketball Arena und der 16.500 Besucher fassenden North Greenwich Arena stattfinden.
Zudem wurden Petra Michel-Leutheuser ins deutsche Ärzteteam und Andreas Joneck zum Presseattaché des NPC berufen. Während Joneck zusammen mit Pressesprecherin Marketa Marzoli im Paralympischen Dorf ihr Domizil aufschlagen, werden fünf weitere Pressevertreter des Deutschen Behindertensportverbandes vom Deutschen Haus aus berichten. Im Museum of London Docklands, hat der DBS in Kooperation mit der Deutschen Sport-Marketing Gesellschaft und der Messe Düsseldorf einen zentralen Treffpunkt für bis zu 350 akkreditierte Sportler und Gäste in nächster Nachbarschaft zum Olympic Park geschaffen. Neben einer Medien Lounge und zahlreichen gesellschaftlichen Veranstaltungen wird hier täglich um 18 Uhr eine Pressekonferenz stattfinden, die über alle Geschehnisse der jeweiligen Wettkampftage informiert. Und wie es sich für eine inzwischen emanzipierte paralympische Idee gehört, in den gleichen Räumlichkeiten, die zuvor auch schon der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) für sich genutzt hat. Somit können auch die Paralympischen Spiele beginnen, denn LOCOG Direktor Sebastian Coe, Doppelolympiasieger 1980 und 1984 über 1.500m, sagte während der Schlussfeier der Olympischen Spiele zu recht: „Wir haben erst den halben Weg geschafft“! Mehr zu den Paralympischen Spielen unter www.paralympics.org und www.dbs-npc.de. 

RSV-Magazin Defense