Meistertitel wandert von Wetzlar nach Zwickau
Rollstuhlbasketball-Bundesligist RSV Lahn-Dill ist am Samstagabend mit seiner „Mission +15“ gescheitert und konnte im zweiten und entscheidenden Endspiel um die deutsche Meisterschaft den 14-Punkte-Rückstand nicht mehr aufholen und damit seinen Titel verteidigen. Nach einem Ligarekord von fünf Meisterschaften in Serien zwischen 2004 und 2008, wandert der Titel nun von Hessen nach Sachen. Mit einem absolut verdienten 64:56-Erfolg in der Wetzlarer August-Bebel-Sporthalle entführte der RSC-Rollis Zwickau nach dem 76:62-Hinspielerfolg vor zwei Wochen damit souverän den Titel und feierte nach 2002 die zweite deutsche Meisterschaft der Vereinsgeschichte.
Über 1.700 Besucher verwandelten dabei die Heimstätte der Wetzlarer Rollis in ein absolutes Tollhaus, nachdem die August-Bebel-„Hölle“ bis auf den letzten Platz ausverkauft war und sich bereits vor Hallenöffnung eine riesige Schlange vor dem Eingangsbereich bildete. Doch auch diese RBBL-Rekordkulisse konnte die Mannschaft von Trainer Nicolai Zeltinger gegen einen an diesem Tag jedem Druck standhaltenden Gegner nicht nutzen. Dabei startete der Gastgeber druckvoll und entschlossen und konnte sich bereits ab der vierten Spielminute einen ersten Vorsprung erwirtschaften, der drei Minuten später sogar bis auf 15:6 angewachsen war. Nach der Hinspielniederlage mit 14 Punkten Differenz war der Zwickauer Vorsprung also schon zu diesem frühen Zeitpunkt auf fünf Pünktchen zusammen geschmolzen und die Wende lag in der Luft.
Doch die an diesem Tag selbstbewussten Sachsen kamen postwendend zurück ins Spiel, nachdem Piotr Luszynski nach einem fast schon verloren Ball einen Dreier in die RSV-Reuse einschweben ließ und nur zehn Sekunden später einen Fast-Break zum 15:11 (9.) nutzte. Nachträglich betrachtet vielleicht die Schlüsselszene des gesamten Spiels. Noch ließ sich der Titelverteidiger aus Wetzlar davon aber nicht entmutigen und startete im zweiten Spielviertel den nächsten Angriff, der in der 17. Spielminute zum 29:21 führte. Da zeitgleich aufgrund der immens hohen Intensität der Finalpartie bereits die beiden RSC-Scharfschützen Rostislav Pohlmann und Mateusz Filipski mit drei Fouls belastet waren, witterte die Mannschaft um Kapitän Joey Johnson nun ihre große Chance. Doch erneut antwortete der erst vor drei Wochen vom RSV Lahn-Dill im DRS-Pokal entthronte Gast aus Zwickau eiskalt und abgeklärt mit einem 6:0-Lauf binnen weniger Sekunden und der vermeintlich schöne Vorsprung war bereits wieder auf 29:27 (19.) geschmolzen.
Hiervon sollten sich die Mittelhessen nach dem Wechsel nicht mehr erholen. Mit jeder weiteren Szene der Partie zwischen den beiden europäischen Topteams kontrollierten die Sachsen nun die Begegnung mehr und mehr. Auf Seiten der weiterhin bemühten Wetzlarer sank dagegen, die auch schon zuvor nicht ideale Wurfausbeute immer weiter ab, während auf der Gegenseite der polnische Nationalspieler Marcin Balcerowski zum Matchwinner avacierte. „Unsere Defensive war absolut ok, wir haben das ansonsten für rund 60 Punkte gute Trio Luszynski, Filipski und Pohlmann auf unter 40 Punkte gehalten. Leider mussten wir die Konzentration auf diese Spieler mit den Punkten von Marcin bezahlen“, so RSV-Trainer Nicolai Zeltinger nach der Partie niedergeschlagen. Die bittere Finalniederlage resultierte aber letztendlich nicht aus der Defensivleistung, sondern auf dem schwachen RSV-Angriff an diesem Tag, der von Beginn überaus nervös agierte. „Unter dem Strich muss man sagen, dass wir das Playoff-Finale aber nicht hier in Wetzlar verloren haben, sondern ganz eindeutig im letzten Viertel in Zwickau. In den Playoffs muss man eben auf den Punkt mental da sein und dies auch über 40 Minuten und dass waren wir im Hinspiel leider nicht“, so das enttäuschte Fazit des 37-jährigen Trainers.
Zwickau auf der anderen Seite zog sein Programm in Wetzlar bis zur Schlusssirene souverän durch und nutzte in der Schlussphase dann die notwenige RSV-Taktik alles auf eine Karte setzen zu müssen zum klaren Sieg. Und auch wenn Kai Gerlach Mitte des vierten Viertels noch einen hart bedrängten Dreier zum 50:54 (35.) verwandeln konnte, die Endspielserie war zu diesem Zeitpunkt längst zuungunsten des RSV Lahn-Dill entschieden. „Natürlich ist es sehr bitter, wenn man die komplette Hauptrunde souverän dominiert und in den entscheidenden Partien dann den Titel aus der Hand gibt, aber da müssen wir nun alle durch und dies vor allem gemeinsam, um in der Champions League Endrunde wieder aufzustehen“, so ein ebenfalls tief enttäuschter RSV-Manager Andreas Joneck.
Unter dem Strich gilt einerseits der Dank des RSV Lahn-Dill seinem fantastischen Publikum, das als sechster Mann die Meisterschaft uneingeschränkt verdient hätte und andererseits die Gratulation dem ebenfalls verdienten neuen deutschen Meister RSC-Rollis Zwickau.
Lahn-Dill: Michael Paye (22), Richard Peter (14), Joey Johnson (7), Dirk Köhler (6), Kai Gerlach (3/1 Dreier), Gesche Schünemann (2), Annika Zeyen (2), Thomas Gundert (n.e.), Jan Kampmann (n.e.), Britta Kautz (n.e.), Felix Schell (n.e.), Marco Zwerger (n.e.).
Zwickau: Marcin Balcerowski (18), Piotr Luszynski (17/1), Mateusz Filipski (16), Rostislav Pohlmann (7), Matthias Heimbach (6), Mehmet Hayirli, Günther Mayer, Frank Oehme, Rainer Müller (n.e.).