RSV Lahn-Dill sichert sich mit Sieg über Zwickau das Heimrecht in den Playoffs
Es war ein Spitzenspiel ganz nach dem Geschmack der Zuschauer: Spannend bis zur Schlusssirene, ein Wechselbad der Gefühle, nicht immer hochklassig, dafür aber umso kämpferischer und am Ende gab es in der Wetzlarer August-Bebel-Sporthalle auch noch ein „Happy End“ für die knapp 1.500 Zuschauer. So sicherte sich Tabellenführer RSV Lahn-Dill vor der Saison-Reordkulisse mit einem im Schlussviertel sichergestellten 76:69 (16:14/32:30/51:52)-Erfolg über den Erzrivalen RSC-Rollis Zwickau auch Platz eins nach der Hauptrunde der Rollstuhlbasketball-Bundesliga (RBBL) und damit verbunden das Heimrecht in den Playoffs.
Zunächst sah es am Samstagabend nach einer Galavorstellung des polnischen EM-Stars Mateusz Filipski aus, doch am Ende verdarb das RSV-Teamwork angetrieben von Kapitän Joey Johnson und in der Offensive umgesetzt von US-Pointguard Michael Paye den Zwickauern den durchaus möglichen Triumph in der Stätte des ärgsten Kontrahenten. Dabei waren beide Mannschaften leistungstechnisch auf Augenhöhe und wie es später RSV-Trainer Nicolai Zeltinger analysierte auch auf einem deutlich höheren Niveau, als es noch Ende November beim Hinspiel in Sachsen der Fall war.
Vor dem Spiel hatte der Gastgeber allerdings schon eine Schrecksekunde zu verdauen, als in der Aufwärmphase RSV-Techniker Walter Enders einen kompletten Rahmenbruch beim Sportrollstuhl von Richard Peter feststellte. Dank des kurzfristigen und schnellen Einsatzes des in Dorlar ansässigen Reiner Jung, war das Sportgerät des Kanadiers aber pünktlich zum Spitzenspiel wieder geschweißt und damit einsatzfähig. Den besseren Start erwischte mit einer 6:2-Führung (3.) allerdings der Gast aus Sachsen, ehe der amtierende Meister aus Mittelhessen zunächst über seine lange Garde um Dirk Köhler und Johnson das Blatt bis auf 19:14 (12.) wendete.
Doch Zwickau agierte immer wieder brandgefährlich und kam über Mateusz Filipski, der bis zur 16. Spielminute beim Stand von 24:24 bereits zwölf Punkte markieren konnte, immer wieder heran. Der erst 20-jährige polnische Nationalspieler überzeugte im gesamten Spielverlauf mit einer hohen Trefferquote und war von der gegen diesen Gegner nicht immer sattelfesten wirkenden RSV-Defensive nie richtig in den Griff zu bekommen. Stolze 34 Punkte hatte der Zwickauer Center am Ende seinem Punktekonto gutgeschrieben, was RSV-Trainer Zeltinger mit „eigentlich hatte ich mit einer stabileren Defensivleistung meiner Mannschaft gerechnet“ kommentierte. Aber auch er musste attestieren, dass der RSC-Rollis an diesem Tag taktisch hervorragend auf die Wetzlarer eingestellt war.
In der Folge entwickelte sich so ein absolut kämpferisches Spiel mit allen Attributen eines wahren Gipfeltreffens. In einem Wechselbad der Gefühle für die Zuschauer lag mal der Gastgeber (30:26, 18.), mal der Pokalsieger aus Sachsen (38:41, 23.) vorne. Im dritten Viertel wirkte Zwickau dann sogar mental stärker, zog bis auf 50:46 (28.) davon, während der RSV Lahn-Dill insbesondere von der Freiwurflinie einfache Punkte leichtfertig vergab. Bis zum Ende der Partie ließen die Wetzlarer so unglaubliche 13 Punkte an der Freiwurflinie liegen und getreu dem Motto, dass ein enges Spiel auch an der Freiwurflinie entschieden wird, sah man auf der RSV-Bank wie auf den Zuschauerrängen sich erste Sorgenfalten breit machen.
Dass es letztendlich nicht so kam, verdankte der sechsfache deutsche Meister dem kämpferischen Vorbild seines Kapitäns Joey Johnson, der mit seinem spektakulären Ballgewinn gegen Filipski in der 33. Spielminute förmlich eine Initialzündung in seiner Mannschaft auslöste. Nun war Hausherr urplötzlich hellwach, auch wenn die Entscheidung der Partie noch vier Spielminuten auf sich warten lassen sollte. „In der Schlussphase haben wir Charakter und die Kaltschnäuzigkeit von Siegertypen bewiesen, unser Wille zu gewinnen war wieder einmal eine unserer Stärken“, freute sich Zeltinger nach Spielende.
Der 37-Jährige meinte damit vor allem die 37. und 38. Spielminute, als Michael Paye mit seinem zweiten lupenreinen Dreier zunächst die 64:62-Führung erkämpfte, ehe nur 18 Sekunden später Routinier Johnson, der die Zwickauer alleine zu acht Fouls zwang, in einer ähnlichen Situation gefoult wurde und für drei Freiwürfe an die Linie durfte. Seinen zwei Freiwurftreffern zum 66:62 folgte nahezu im Gegenzug ein starker Ballgewinn durch Nationalspielerin Annika Zeyen und zwei weitere Punkte durch US-Boy Paye, der alleine im Schlussviertel 14 Punkte erzielen konnte. So platze binnen von lediglich 110 Sekunden der Zwickauer Traum beide Punkte aus Mittelhessen entführen zu können, während die große Kulisse die propenvolle August-Bebel-Sporthalle in ein wahres Tollhaus inklusive „La-Ola Welle“ verwandelte.
Mit diesem Erfolg ist der RSV Lahn-Dill bereits zwei Spieltage vor Ende der RBBL-Hauptrunde nicht mehr von Platz eins zu verdrängen. Und was die RSV-Verantwortlichen für ihre tollen Fans in der Region dabei insbesondere freut, ist die Tatsache, dass bei einem Erreichen des Playoff-Finales die Entscheidung über den Titel 2009 definitiv in Wetzlar fallen würde. Zuvor erwarten die heimischen Rollis aber bereits am kommenden Wochenende den RSC Frankfurt zum Hessenderby in eigener Halle. Und wenn man in Betracht zieht, wie eng auch die Spiele zwischen den Frankfurtern und den Sachsen zuletzt waren, dann dürfen sich die RSV-Fans auch am kommenden Samstag wieder auf ein Rollstuhlbasketball-Fest in der Domstadt freuen.
Lahn-Dill: Michael Paye (24/2 Dreier), Joey Johnson (19), Richard Peter (15), Dirk Köhler (14), Gesche Schünemann (2), Annika Zeyen (2), Thomas Gundert, Marco Zwerger, Kai Gerlach (n.e.), Jan Kampmann (n.e.), Felix Schell (n.e.).
Zwickau: Mateusz Filipski (34/1), Piotr Luszynski (15), Marcin Balcerowski (8), Rostislav Pohlmann (6), Matthias Heimbach (4), Günther Mayer (2), Mehmet Hayirli, Rainer Müller (n.e.), Frank Oehme (n.e.).